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Ein Wunder auf Pergamentpapier in Görlitz

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Görlitz umgibt eine besondere Aura. Die Stadt hat Wunder erlebt - im besten Sinne des Wortes. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört, das einzigartige architektonische Ensemble blieb vom Bombenhagel verschont. Görlitz wurde bekannt durch das Wunder der Altstadtmillion. Ein anonymer Gönner überwies über viele Jahre eine Million. Heute nun wurde ein weiteres Wunder wahr. Nach mehr als 80 Jahren sind Teile der Torarolle aus der Görlitzer Synagoge aufgetaucht. Eine Sensation!

Es sind vier Fragmente auf Pergamentpapier, vermutlich 300 Jahre alt. Sie wurden am 9. November 1938 – in der Reichspogromnacht – in letzter Minute aus der Görlitzer Synagoge gerettet – gezielt ausgewählt mit schnellen, scharfen Schnitten abgetrennt.  Die Synagoge wurde zwar nicht zerstört, aber große Teile der Interieurs verbrannten.  Wer die Teile aus der Torarolle herausgeschnitten hat,  ist bis heute ein Geheimnis. Sie wurden damals einem jungen Polizeianwärter in die Hände  gedrückt – dem Vater von  Uwe Mader. 31 Jahre später hielt der Sohn den Schatz selbst in den Händen. Eine Pfarrerswitwe aus Kunnerwitz rief ihn zu sich und vertraute dem damals jungen Vikar die Fragmente an - unter dem Siegel der Verschwiegenheit.„

Mehr als 50 Jahre hütete der evangelische Pfarrer die handbeschriebenen Pergamentbänder wie seinen Augapfel. Niemand durfte davon erfahren - vor allem zu DDR-Zeiten. “Die Politik damals war nicht sonderlich judenfreundlich und israelfreundlich schon gar nicht. Von daher war es klar, dass ich Dienstverschwiegenheit wahren konnte.„  Nun nach über einem halben Jahrhundert hat Mader das Schweigegelübde  gebrochen. Die Zeit des Misstrauens sei vorbei, so der fast 80-Jährige.“Ich habe die Entwicklung der Stadt aufmerksam verfolgt und speziell die Synagoge. Wie es gelaufen ist und wie es läuft, darüber bin ich zufrieden.„ Die Görlitzer Synagoge wurde in den vergangenen Jahren restauriert. Sie wurde im letzten Sommer als Kulturforum eröffnet.

Was geschieht nun mit den Fragmenten der Torarolle?  Oberbürgermeister Octavian Ursu: “Wir werden eine historische Bestandsaufnahme machen und dann für die Öffentlichkeit eine Ausstellung vorbereiten„.

Für Ratsarchivar Siegfried Hoche sind die Dokumente eines der größten Wunder in der 950 Jahre alten Stadtgeschichte. “Ein Stück des Herzens unserer Stadt ist uns zurückgegeben worden.„

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Reporter Knut-Michael Kunoth